Dienstag, 14. Juli 2009

Sehr geehrte Emanzipierte und Emanzipiertinnen...

Dies, so schicke ich lieber gleich voraus, ist ein Plädoyer für Emanzipation UND eine ästetisch ansprechende Schriftsprache.

Am gestrigen Abend grillte ich mit Freunden zusammen, es gab viel zu viel Fleisch, noch mehr Baguette und sogar Nudelsalat! (Dieses Geplänkel ist nur dazu da, um einen Rahmen für Sie und einen Anfang für mich zu schaffen.) Wie es dann so ist, essen die Leute nicht nur leise vor sich hin, sondern man unterhält sich auch(was für ein unnötiger Hinweis). Neben Gott und der Welt streifte unsere Runde auch das heikle Thema der Emanzipation und ihre manchmal seltsamen Blüten.

Z.B. fiel das Gespräch auf die Anrede in verschiedenen Schreiben. Wir kamen zu der einhelligen Meinung, es waren übrigens auch Frauen dabei, dass die mittlerweile verdreifachte Größe dieses Briefabschnitts nicht nur leser-/leserinnenunfreundlich sei sondern auch ein wenig lächerlich.

Na, haben sie es gemerkt? Oder haben sie sich bereits daran gewöhnt, dass immer entweder sowohl die sehr geehrten Leser als auch Leserinnen, oder noch schlimmer LeserInnen, angesprochen werden? Mich juckt es dann immer fürchterlich in den Augen. Ich halte es für eine Zumutung, den Leser mit einer Masse, oh Pardon, ich vergaß doch fast: Natürlich halte ich es auch für eine Zumutung für die Leserinnen, von Anredeformeln zu bombardieren, der/die irgendwann inständig hofft, der Brief möge schnell vorbei sein, damit man nicht immer wieder über die "Anrede-Innen" stolpert. Ich finde in der Tat, dass dies einem verbalen Schluckauf gleichkommt, bei dem man sich unweigerlich fragt, ob der Autor nur Probleme mit der Orthographie oder sogar mit einem Tremor hatte.

Noch schlimmer wird es allerdings, wenn Worte deshalb von, ja, von wem eigentlich? Gibt es irgendwo einen Bundesverband emanzipierungswütiger Personen und Personinnen? Vielleicht... na ja egal...Wo war ich? Ach ja, noch schlimmer wird es, wenn Worte allein schon deshalb ihre Salonfähigkeit einbüßen, weil sie so ähnlich klingen, wie ein chauvinistischer, männlicher Artikel oder eine chauvinistische Anredeform, die die Dreistigkeit besessen haben, ihre besseren Hälften zu Hause allein zu lassen. Man nehme, ja genau, das Wörtchen "man", eigentlich der Gipfel der Neutralität, das immer häufiger ein schnippisches /frau zur Seite gestellt bekommt. Ich bitte Sie, was soll das denn? Das "man" klingt vielleicht genauso wie der Mann, aber da hören die Ähnlichkeiten auch schon auf! Das man(/frau) den Unterschied zwischen einem "n" und zwei am Ende des jeweiligen Wortes nicht hören kann, dass sehe ich ja ein, aber das ist doch kein Grund einem neutralen Pronomen, das nicht ansatzweise die Tendenz aufweist, den weiblichen Anteil auszuschließen, die Eigenständigkeit zu rauben.

Ich sprach eingangs bereits von Ästhetik, und ich betone es wieder, es sieht einfach nicht aus an jedes Wort, das in den Geruch geraten ist nur den männlichen Lesern Beachtung zu schenken, ein "und -innen", "/-innen" oder am Schlimmsten "-Innen" anzuhängen. Wenn ich in einem Brief die weibliche Form nicht extra aufzähle, ist dies nicht auf sexistische Einstellung zurückzuführen, sondern darauf, dass ich es für selbstverständlich halte, wenn ich mehrere Personen anspreche oder ein Wort benutze, das in der Einzahl nun einmal einen männlichen Artikel besitzt, auch den weiblichen Anteil dieser Gruppe anzusprechen. Mir käme es im Gegenteil sogar eher chauvinistisch vor, jedes Mal Frauen und Männer in der Anrede von einander zu separieren. Hätte man früher, in Zeiten in denen das Schulsystem vorsah, dass Mädchen und Jungen komplett oder zumindest im Sportunterricht getrennt wurden, darauf gepocht, ja vielleicht, aber heute? Was ich damit sagen will ist, dass ich unter Gleichberechtigung weniger verstehe, den Frauen eigene Anredefloskeln zuzugestehen, sondern daraufhin zu arbeiten, dass es selbstverständlich ist, das die holde Weiblichkeit die selbe Anerkennung bekommt, wie die trampelnde Männlichkeit. Wichtiger als verbale Haarspalterei ist es, meiner Meinung nach, dafür zu sorgen, im Leben gleiche Voraussetzungen zu schaffen. Und ich bin mir sicher, dass mir die Emanzipierten, die Meilensteine wie das Frauenwahlrecht und die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Grundgesetz durchgesetzt haben, beipflichten würden. Ich wüsste zu gern, was sie dazu sagen würden, dass Autoren, die auf die zusätzlichen Anredeformeln verzichtet haben, am Ende ihrer Schreiben eingeschüchtert hinzufügen müssen, sie hätten der "LeserInnenfreundlichkeit" wegen auf die weibliche Form in ihrem Schreiben verzichtet und nicht weil sie Chauvinisten seien, weil sie damit rechnen müssen, wegen eines gesunden Sprachgefühls als ebensolche abgestempelt und damit zumindest für den weiblichen Teil der Leserschaft untragbar zu werden.

Ich danke für Ihre und Seine Aufmerksamkeit.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

grundsätzliche stimme ich zu, plädiere aber für einen Versuch: Warum einigt man sich nicht mal auf die weiblliche Form als einzige Form? Habe neulich einen Vortrag gehört, da wurde immer nur von den -innen gesprochen. War ungewohnt, aber voll in Ordnung ... böse Zungen fragen ja bereits warum es "History" und nicht "Herstory" lautet ...

Severin hat gesagt…

Auf den Versuch würde ich es auch ankommen lassen, es muss doch möglich sein eine Form zu finden, die Platz spart und alle anspricht.
Was "History" betrifft, vielleicht ist das eine geheime Hochburg, die sich die Begründer des "Ladies first"-Spruch erhalten wollten.

Anonym hat gesagt…

Das "Gender-Thema" finde ich grundsätzlich schon interessant, wenn es auch aus sprachlicher Perspektive mit den von Dir zu Recht kritisierten Schreibformen kuriose Züge annimmt.
Ökonomisch wird es z.T. in der letzten Zeit aufgeberabeitet. Dort erschien der Artikel "Weiberwirtschaft". Hier ein Zitat und der Link:

"Zwar tragen die Männer jetzt den Müll raus. Gehen einkaufen. Putzen. Aber vor allem Arbeitern mit Familie drückt diese berufliche Tatenlosigkeit aufs Gemüt und damit aufs Ego. Sie können ihrer als normal empfundenen Ernährerrolle nicht mehr gerecht werden, wie amerikanische Forscher untersucht und im American Journal of Public Health beschrieben haben. Ohne Arbeit schmerzt das Arbeiterherz. Und da in den USA auch kein Kurzarbeitergeld den Absturz bremst, ist dort schon nicht mehr von der recession, sondern von der he-cession, einer tiefen Männerkrise, die Rede."

http://www.zeit.de/2009/31/Frauen

Severin hat gesagt…

Oh ja, das is mal wieder typisch.
Da haben wir Männer noch einiges zu lernen, denke ich, erst werden die Frauen schief angesehen, wenn sie auf die Frage, was sie beruflich machen, Hausfrau antworten und nun sind die Männer dran oder wie?
Bei mir war es schon immer der Fall das meine Mutter die Ernährerin war und mein Vater Hausmann, ich weiß nicht wie man darüber betrübt sein kann. Wo (bzw. treffender wäre wohl)WANN leben wir denn eigentlich?
Was kratzt das Männer-Ego, wenn er sich um seine Familie kümmert in dem er den Haushalt in Schwung hält?

Anonym hat gesagt…

Bei mir war es so, dass Mutter beides war: Erzieherin und Ernährerin. Viele Männer haben aber - meiner Erfahrung nach - tatsächlich ein Problem mit der Veränderung der Geschlechterrollen. Dabei kann es doch eigentlich egal sein ...