Freitag, 18. September 2009

Die Vergänglichkeit

Anti-Aging und Lifting, Outfit und Glamour, ein Hoch auf die neue Oberflächlichkeit!
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Alter und Alterung in ihrer Thematik so tabu sind, wie sie es als Worte sind. Niemand spricht über sie, wie könnten wir auch, jetzt da alles schneller, besser, flexibler und leistungsfähiger sein muss? Dies so scheint es, trauen die meisten nur der Jugend zu. Welch Paradoxon, wenn man sich vor Augen führt, dass unsere Bevölkerungspyramide und die anderer Länder ebenfalls sich umkehrt. Die Japaner machen es schon richtig: Die Unternehmen haben die Klientel der Senioren erkannt, sie haben ihre eigenen Läden sogar Stadtviertel, in denen bevorzugt alte Menschen nach Herzenlust shoppen gehen können. Eine kleine Bemerkung am Rande: Falls Sie es nicht bemerkten, ich verwendete eben das Adjektiv "alt" im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen, die die Steigerung des Adjektivs, also "älter", in sinnwidersprechender Weise verwenden.

Was ist das, das man so vehement gegen die Alterung ankämpft, obwohl sie natürlicher Bestandteil des Lebens ist? Ist es die Aussicht auf Vereinsamung, Missachtung der Mitmenschen, Pflegebedürftigkeit, Schauergeschichten über die Zustände in Altersheimen? Oder ist es tatsächlich nur dem überall offenkundigen Jugendwahn geschuldet, der in unserer Gesellschaft grassiert? In Japan werden mittlerweile Arbeitsvermittlungen speziell für die Altersgruppe 60 aufwärts gegründet, dort beraten und vermitteln Senioren Senioren an Unternehmen, die Arbeitskräfte suchen. Dort gilt man als faul, wenn man sich nach der, für uns, "normalen" Arbeitszeit in die Rente begibt und die Gesellschaft für einen aufkommen lässt.

Aber die Modezeitschriften bei uns fördern diesen Trend, der nach ewiger Jugend lechzt, schließlich will jeder "trendy" und "in" sein. Was für die einen nur Kopfschütteln bringt, ist für die anderen Heilige Schrift. Es wird nicht einmal kritisiert, wenn eine Modezeitschrift verspricht, einen vierzigjährigen Altersunterschied mit Hilfe eines "ANTI-AGING-OUTFITS" vertuschen zu können, wobei dieser Begriff, sofern man ihn so nennen will, dieses Monstrum von einem Neologismus, schon rein visuell eine Zumutung ist. Nicht einmal die Gleichsetzung von Aussehen und allgemeinem Befinden sorgt für Protest.

In solchen Zeiten hat es die häufig beschworene "Schönheit von innen" schwer, sich gegen unter Tonnen von Make-up versteckten, zum Schönheitsideal stilisierten, bulimie-gefährdeten Elendsgestalten durchzusetzen. Wer in der Gesellschaft nicht ignoriert oder sogar ausgelacht werden will, muss sich dem Götzen Mode unterwerfen, der uns alle hinter einer Fassade versteckt, die man aufrecht erhalten muss, um von allen akzeptiert zu werden. Und als wäre das noch nicht genug, schämen sich die Prophetenblätter dieser Gottheit nicht, nachdem sie einem zunächst all die überlebensnotwendigen Tipps zum "perfekten Styling" verkauft haben, auch gleich den "Check" zum Durchschauen der Kulisse aufzuschwatzen, mit dem man angeblich die wahre Persönlichkeit hinter dem "Look" erkennen kann.

Einmal mehr ein Widerspruch: Erst suggerieren sie einem die Notwendigkeit zur Schaffung eines Scheins, dann soll man ihn durchschauen. Ist das vielleicht die Erkenntnis, das dort ein alter, tiefverwurzelter Wunsch nach Wahrhaftigkeit und inneren Werten verzweifelt um Hilfe schreit? Wollen sie diesen auch noch vermarkten? Welch eine Ironie, dass bei all der Reizüberflutung und dem schönen Schein, die Leute letzendlich sich doch nach etwas Wahrem sehnen, von dem auch das beste "Outfit" nur einen Anschein vermitteln kann. Das ist vielleicht der einzige, bittere Triumph, den die Innere über die Äußere noch erlangt. Oder es ist das erste Zeichen, dass es irgendwann die Erkenntnis, das Schein nur Schein und nicht Wirklichkeit ist, geben wird. Dann wird man die Modezeitschriften an ihrem rechtmäßigen Platz lagern, wo sie auch jetzt schon landen, wenn nach wenigen Wochen der Trend sich verändert hat: Im Müll. Und man wird sich hüten, diese ohne Handschuhe anzufassen.

Bei einem meiner Youtube-Streifzüge stieß ich vor Kurzem auf einen netten doch nachdenklichen Kurzfilm, der sehr gut zu dieser Thematik passt: http://www.youtube.com/watch?v=prUhIZCUajs&feature=channel_page

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche trotzdem ein "schönes" Wochenende!