Dienstag, 15. März 2011

Aus aktuellem Anlass

Ich sitze mitten in den Abiturvorbereitungen und nebenbei an einem kleinen Jubiläumstext zum 42. Eintrag auf meinem Blog. Nun bin ich mit dem aber noch nicht fertig und da er etwas länger ausfallen soll, schiebe ich nach einer langen Pause erstmal einen Eintrag dazwischen (Als Antwort auf einen öffentlichen Aufruf von: http://spinken.blog.de/). Das ist jetzt zwar dann der 42. aber stellen Sie sich bei dem nächsten Eintrag dann einfach vor, dieser Eintrag hier käme danach. Warum die 42 so wichtig ist, erkläre ich dann auch beim nächsten Mal. Bis dahin dürfen Sie schon einmal raten und die Wissenden unter Ihnen genießen und schweigen.

Es ist gerade eine sehr bewegte Zeit, in der es so viel zu beobachten, und als Freizeitblogger auch zu kommentieren, gibt, dass ich kaum weiß, womit ich anfangen soll. Ich denke, ich versuche mich an einer chronologischen Ordnung.
Wenn man sich das Weltgeschehen mit etwas Abstand anschaut, könnte man sagen, dass wir gerade in einer heißen Phase leben, in der die Lage sich schneller ändert, als einige merken oder auch reagieren können.

Zuerst verliert die Regierungskoalition ihren einzigen Hoffnungsträger. Jedenfalls wenn man der allgemeinen Meinung folgt, ist die Plagiatsaffäre des ehemaligen Dr. und immer noch Freiherr Karl-Theodor zu Guttenberg das Ende der deutschen Politik. Der größte Teil der Bevölkerung ist offensichtlich bereit, die Verfehlung ihres Lieblings zu vergessen, solange sie ihn weiter anhimmeln darf. Die Regierungskoalition hat, solang es eben ging, an ihm festgehalten und versucht, den Diebstahl geistigen Eigentums als Kavalliersdelikt abzutun. Spannend, wie schnell sich auch in diesem Punkt die Einstellung der Kanzlerin geändert hat, frei nach dem Motto eines ihrer CDU-Amtsvorgänger: "Was schert mich mein Geschwätz von gestern". Vor drei Jahren jedenfalls schlug sie zu diesem Thema noch ganz andere Töne an, ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Die Opposition, wie eh und je, versucht die ganze Misere für ihre eigenen Zwecke auszunutzen und der Regierung möglichst viele Vorwürfe zu machen. Die Medien freuen sich, wieder einmal eine Person öffentlichen Interesses fallen zu sehen/lassen. Ihre Rolle wurde am schärfsten kritisiert. Die Guttis werfen ihnen eine Hetzkampagne vor. Und auch Guttenberg selbst sieht sich gezwungen, auf die sterbenden Soldaten in Afghanistan hinzuweisen, die hinter seiner Strahlkraft verblassen. Wer jetzt bei Strahlkraft auf eine Überleitung zur nächsten Krise wartet, wird sich noch etwas gedulden müssen.

Meiner Auffassung nach ist der Freiherr jedenfalls gut bedient, seinen Posten zu räumen. Selbst wenn die Aberkennung seines Doktortitels keinen direkten Einfluss auf seine Ministerarbeit haben mag, so ist dieser Betrugsversuch doch ein Vertrauensbruch und lässt Zweifel an der charakterlichen Eignung zu Guttenbergs für die vertrauensvolle Aufgabe, die ein politisches Amt zweifellos darstellt, aufkommen. Und diese Zweifel darf man nicht mit einem Argument à la "Ich habe ihn nicht als wissenschaftlichen Mitarbeiter eingestellt" abzuspeisen versuchen. Die treffendste Erwiderung, die ich dazu gehört habe, war, dass man dann auch die betrunkene Margot Käßmann behalten hätte können, schließlich war sie ja kein Chauffeur. Abgesehen von den strafrechtlichen Konsequenzen, die das Fälschen einer Doktorarbeit nach sich zieht, ist es richtig, dass jemand der sich dieses Deliktes schuldig macht, auch in den Medien mit härteren Bandagen angefasst werden darf. So lange es um die Sache selbst geht, versteht sich. Gerade dann, wenn dieser jemand zuvor die Medien zur Selbstinszenierung genutzt hat. Jemand, der hohe Werte zur Bewertung anderer anlegt, sich selbst aber davon ausgenommen zu haben scheint. So viel zu Guttenberg, erst einmal.

Doch Guttenberg war politisch noch nicht ganz zu Grabe getragen, da folgt die westliche Welt seinem Beispiel: Der arabische Frühling ist in vollem Gange. Und während man den Ägyptern noch die Daumen drücken darf, dass ihr friedlicher Protest für mehr Rechte und Demokratie nun Früchte trägt, sieht es in Libyen eher nach einer Wiederherstellung des alten Systems aus. Wer einen Gottesstaat fürchtet, der darf sich nicht zurücklehnen, wenn die libysche Bevölkerung um Hilfe schreit. Doch genau das tut die so hochgelobte westliche Welt. In Afghanistan und im Irak war der Demokratie-Export eine Selbstverständlichkeit, doch wenn ein Land um Unterstützung dafür bittet, ziehen sich die Europäer, Amerikaner und die UN zurück und verstecken sich hinter ihren Regelwerken. Das libysche Volk stirbt, weil ein mental bereits verstorbener Diktator seine Bürger zusammenschießen und bombardieren lässt, wenn sie Freiheit fordern. Und die westliche Welt? Schaut zu! Mehr als ein paar mikrige Appelle an einen offenkundig Wahnsinnigen bekommt sie nicht zustande. Wo sind sie, die volltönend geschwungenen Reden für Menschenrechte, für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit? Sie knicken ein in der kalten Realpolitik, wo steigende Flüchtlingszahlen und unsichere Ölimporte vor humanen Katastrophen rangieren. Uns fehlen die rechtlichen Grundlagen, um in Libyen zu intervenieren, doch woher nehmen wir dann das Recht, die arabische Welt für ihre zunehmend anti-westliche Einstellung zu kritisieren?

Und als wäre das noch nicht genug versinkt Japan im Chaos. Ein von Erdbeben und den daraufhin entstandenen Tsunamis gebeuteltes Land, sieht sich nun mit einer atomaren Katastrophe konfrontiert. Die Bilder, die durch die Medien gehen, schockieren. Die Reaktion der deutschen Politik, vor allem der Regierungsparteien, macht sprachlos. Aufgrund dessen, dass aus der "statistischen Größe" Restrisiko "bittere Erfahrung" geworden sei, hat man sich dazu durchgerungen, die Laufzeitverlängerung für drei Monate auszusetzen. Interessant, wenn das die erste "bittere Erfahrung" mit dem sogenannten Restrisiko der zivilen Nutzung der Atomkraft ist, was war dann Tschernobyl? Die Koalition scheint sich selbst noch nicht ganz sicher zu sein, denn die Lehren, die man aus der nun angestrengten Katastrophenanalyse Japans ziehen will, nebenbei bemerkt wieder einmal "ergebnisoffen", werden mit dem Verweis auf das Risiko eines Flugzeuganschlags auf unsere Kernkraftwerke gerechtfertigt. Jetzt stellt sich für einen Beobachter natürlich die Frage, wo der Zusammenhang zwischen einem Erdbeben und einem Flugzeuganschlag besteht. Aber diese Frage muss wohl zunächst einmal antwortoffen bleiben. Aus dem hilflosen Gestammel des Generalsekretärs der CDU gestern nach der Präsidiumssitzung war jedenfalls nicht zu entnehmen, was es damit auf sich haben mag.

Ebenfalls spannend ist an dieser Stelle, wie die Lage in Japan aus Verfechtern der Atomkraft plötzlich die schärfsten Kritiker macht. Herr Söder von der CSU, vormals Befürworter der Atomenergie, solange sich der Norden und nicht sein schönes Bayern mit dem dabei entstehenden Dreck rumschlagen darf, fordert rigoros die Sofortabschaltung. Mappus, noch Ministerpräsident von Baden-Würtemberg, bereits für sein feines Gespür für die Sorgen und Nöte seiner Bürger in Fragen der Bahnhofsgestaltung bekannt, stellt mit Überraschung fest, dass die Bevölkerung offensichtlich die von der Atomindustrie diktierte Laufzeitverlängerung nicht länger mitzutragen bereit ist. Auch er ist plötzlich für die Abschaltung. Wieso bedarf es eigentlich, frage ich mich da, immer erst einer Katastrophe, bis der Mensch im Allgemeinen begreift, dass er bis dahin blind auf einen Abgrund zugesteuert ist?
So wie sich die Sache für mich darstellt, ist es vollkommen unerheblich, ob es eine Erdbebenregion oder ein potentielles Ziel eines terroristischen Anschlags ist, für jedes Land ist Atomkraft im Zweifelsfalle, das zeigen Japan, Tschernobyl aber auch die vielen kleinen Krisen, die wir gar nicht so recht mitbekommen, weil sie nicht oder nur unzureichend publik gemacht werden, schlicht unkontrollierbar. Und selbst wenn unsere Kraftwerke und Wiederaufbereitungsanlagen störungsfrei liefen, was sie offensichtlich nicht tun, dann haben wir immer noch das Problem des Atommülls. Aber den produzieren wir munter weiter, ohne eine Lösung für seine Lagerung gefunden zu haben. Das erfordert entweder eine gehörige Portion Ignoranz oder aber Optimismus. Die Atomkraft auf dem aktuellen Stand gleicht einem Spiel mit dem Feuer, mit dem Unterschied allerdings, dass wir vom Feuer wissen, wie wir es löschen können.

Ich hoffe im Interesse der Menschheit und des Planeten auf dem wir leben, dass dem einen oder anderen die Augen nun endlich aufgehen, Katastrophen hatten wir in letzter Zeit wirklich genug.