Sonntag, 1. März 2009

Wie die Großen so die Kleinen

Als ich vor Kurzem in der Ratssitzung der Gemeinde saß, war mir vorher nicht klar, was da auf mich zu kam:

Das Ganze begann mit einer Fragestunde für die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde. Die einzige Frage bezog sich auf das Thema eigener Ortsrat für unseren kleinen Ort, das schon längere Zeit in den Gremien für Gesprächsstoff sorgt. Nun hatte sich doch auch noch der FDP-Chef erdreistet, seinen CDU-Kollegen vorzuwerfen, sie hätten den Vorgang boykottieren wollen. Da sich keiner gerne sagen lässt, er widersetze sich einem demokratischen Votum, wurde der Querulant vor allen Leuten heftig kritisiert und die Vorwürfe wurden weit von sich gewiesen. Als es dann vorbei schien, kam man zur Tagesordnung, die sich u.a. mit dem Thema Familienpolitik befasste. Im Speziellen ging es um die Entlohnung von Tagesmüttern, die durch die Gemeinde gefördert werden, und zwar seit 10 Jahren. Es ist eine neue Qualifikation von Nöten glaubt man, da frühkindliches Lernen immer wichtiger werde, und deswegen werden die Tagesmütter nun zu einer Fortbildung verdonnert. Wenn sie dieses "Angebot" ablehnen, droht eine Kürzung des Bruttolohns um 30%!! Die CDU-Fraktion sprach sich gegen diesen Zwang aus, da Tagesmütter, die bereits seit 10 Jahren diese Tätigkeit ausfüllen, deren Arbeit weder von Eltern noch von der Gemeinde je bemängelt worden war, wohl auch weiterhin in der Lage seien, diese Aufgabe zu bewältigen. Nachdem die potenziellen Argumente vorgetragen worden waren, wurde die Sache sehr schnell sehr persönlich, dem CDU-Vorsitzenden wurde vorgeworfen er lebe im vorletzten Jahrhundert, außerdem solle er die Familie zeigen, die noch 3 oder 4 Kinder hat. Diese gäbe es doch gar nicht mehr, worauf dieser antwortete, wenn es diese Familien nicht gebe, hätten seine Frau und er wohl etwas falsch gemacht, denn sie hätten 4 Kinder.

Nachdem der CDU-Politiker selbst noch kräftig ausgeteilt hatte, kam man zum nächsten Thema, das wohl schon zwei Jahre andauerte. Ein Unternehmen wollte sein Werksgelände erweitern, hatte den nötigen Antrag gestellt, aber durch verschiedene Komplikationen und einen ewig langen Formularweg hatte sich die Sache so lang hingezogen. Nun hatte es endlich geklappt und eigentlich sollte nur kurz vom Erfolg berichtet werden, dies dauerte zwei Minuten. Doch der darauffolgende Schwall an Lobhudeleien, bei dem jede Partei den Verdienst, dem Betrieb seinen Platz und damit Arbeitsplätze gesichert zu haben, für sich allein beanspruchte - jeder wollte plötzlich wichtigster Förderer dieses Antrags gewesen sein - dauerte 15 Minuten.

Nach einigen weiteren, aber eher unwichtigen Punkten folgte der Tagesordnungspunkt "Anfragen". Und "Oho, was ist denn das?" tauchte plötzlich das Thema Ortsrat wieder auf, allerdings nicht der Sache wegen, sondern, um dem FDP-Vorsitzenden nochmals eins auszuwischen: Er sollte nun, weil er seine Kritik laut geäußert hatte und weil er dazu nichtöffentliche Informationen öffentlich gemacht hatte, vom Bürgermeister bestraft werden. So die erste Anfrage der CDU. Hinterher folgte die süffisante Anfrage, ob dieser denn in Zukunft, bei solchen Leuten, überhaupt noch für die Geheimhaltung der nächsten Sitzungen garantieren könne. Interessant finde ich daran, dass, wie ich später erfuhr, der Bürger, der am Anfang seine Frage gestellt, hatte von der CDU engagiert worden war, um schon einmal das Thema in den Blickpunkt zu zerren, außerdem den Punkt, dass doch eigentlich die CDU die Vorwürfe, die der FDP-Chef mit den nichtöffentlichen Informationen erhoben hatte, zuvor kräftig dementiert hatte, weil sie so nicht stimmten. Wieso wird der Bürgermeister dann wegen dieser Informationen, die ja falsch sind, von der CDU beinahe schon genötigt, den FDP-Chef vor die Tür zu setzen?

Insgesamt war es doch sehr interessant und aufschlussreich, denn selbst hier in der tiefsten Provinz, spielen sich die Politker bei jeder öffentlichen Veranstaltung auf, als steckten sie mitten im Wahlkampf. Eine Ratssitzung die inhaltlich vielleicht 20 Minuten gefüllt hätte, wird so auf eine Stunde aufgeplustert und die verbalen Duelle rutschen noch schneller unter die Gürtellinie, als sie das für gewöhnlich auf höherer Etage tun. Und so etwas leitet die Geschicke unserer "Bürgerinnen und Bürger".