Mittwoch, 22. Mai 2013

Und zurück bleibt ein unbeschreibliches Kribbeln

Sieh da, Welt! Du siehst mich beswingt, denn der Musi Kus hat mich ereilt, ob dessen ich mich nicht enthalten kann, dies Wort einer quasi papiernen Dauer zu überantworten.

Worum es gehen soll? Ja, man ahnt es schon, um Musik. Und ähnlich, wie das eine oder andere gute Lied, lässt sie einen im Ganzen nicht mehr los, treibt einen zu atemberaubenden Höhen und das in mit gleichem Adjektiv beschreibbarer Geschwindigkeit. Mal ist sie zart und umgibt einen wie eine warme Aura, besonders dann, wenn einem zuvor kalt war, schwebt hier und mäandriert mit besänftigender Ruhe nach dort, aber immer umgibt sie einen, sodass man sich in sie hüllen kann, so zuverlässig wie in eine weiche Decke. Mal ist sie rot glühend, ohne Rast aber mit Macht und reißt einen mit sich vom Stuhl oder Couch, ohne Rücksicht auf die Inneneinrichtung. Keine Stimmung, die sie nicht einzufangen und im richtigen Moment wieder freizugeben weiß.
Und in eben diesem Moment, läuft sie zur Untermalung meines Treibens, wie fast immer, wenn ich eine Aufgabe zu erledigen habe. Denn mit Musik lässt die sich einfach besser lösen, wenn sie derselben nicht gerade im Wege steht. Überhaupt ist sie bei mir beinah allgegenwärtig. Dank sei an dieser Stelle auch meiner Musikanlage ausgesprochen, ohne die so manche Ohrgie gar nicht möglich wäre. Und wo die nicht zur Verfügung steht, gibt es ein tragbares, „nichtsdestowenigertrotz“ (Dieses Wort habe ich mal bei einem Interview von einem Schwimmathleten gehört und wollte seitdem unbedingt mal sehen, wie sich das geschrieben so macht.) zuverlässiges Gerät und das befeuert mit seinem Lauf meinen eigenen. Warum läuft Musik eigentlich? Weil sie so schnell an einem vorbeizieht, oder weil sie wie Wasser fließt? Vielleicht beides.
Hinzu kommt, dass ich für fast alles offen bin, was so mit Hilfe menschlicher und unmenschlicher Klangkörper alles zustande zu bringen ist, sodass mir beinah alles, was mir zu Ohren kommt, auch ein unwillkürliches Fußtappen oder Pfeifen entlockt. Vom Mitsingen muss ich leider, wenigstens im Beisein meiner Mitmenschen, dann doch Abstand nehmen, weil es schon einen Chor braucht um meinen „Beitrag“ zu vertuschen. Glück habe ich mit besagten Mitmenschen auch, weil sie wenigstens in Teilen meinen Geschmack teilen – überhaupt kann Musik ja mächtige Bande schmieden. So viel zur Theorie und Sonnenschein.

Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten... Und wie ich deutlich zu machen versuchte, bin ich in dieser Frage, und bemühe mich auch jeden Tag auf's Neue, es zu sein, wirklich tolerant. Aber das wird einem nun wirklich nicht einfach gemacht. Nach meiner eigenen bescheidenen Meinung gibt es drei, vielleicht vier Phänomene, die in dieser Beziehung in ihrer Schattenhaftigkeit kaum zu überbieten sind.
Da hätten wir zum einen die Leute, die einfach die falsche Musik mögen, und die, so groß die geheuchelte Empörung jetzt sein mag, jeder kennt. Die wären an sich noch nicht so schlimm, gehörten sie nicht meist auch noch zu einem der nachfolgenden Vereine.
Die zweite Gruppe ist in Fragen der Musik so verkrampft und engstirnig wie andere mit ihrer religiösen Überzeugung, wenn sie nicht ohnehin mit dieser zusammenfällt. Sie sind ausgesprochene Monotheisten und tolerieren neben ihrem keine anderen Götter. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, gehen sie mit demselben missionarischen Eifer wie einige Glaubensknallköpfe an die Sache heran.
Drittens gibt es Leute, die zur Gruppe der zweiten wenigstens zu gehören scheinen, die deren Eifer vielleicht aus Unvermögen weniger argumentativ zur Schau stellen, als das sie einfach direkt ihre sogenannte „Musik“ mit der gesamten Welt zu teilen versuchen. Und wo das nicht geht, wenigstens mit dem Rest der Fahrgäste im Bus oder Zugabteil. Nie war die Erfindung des Kopfhörers zugleich angebrachter und doch sinnentleerter als bei den Zeitgenossen, die ihre musikalisch begabte Elektronik zwar mit ebensolchen versehen, im selben Moment das Gerät aber bis zum Anschlag und darüber hinaus aufgedreht haben, sodass ich mühelos das, was für alle im Raum sich Befindenden hörbar aus den Lautsprechern quillt, auf seine eigene Sinnhaftigkeit hin prüfen kann. Meistens, so sind bisher meine empirischen Befunde, handelt es sich um a) Sinnloses Faselndes, b) Klischees Auswringendes, c) Frauen Verachtendes oder d) die eigene Potenz, im weitesten Sinne, ins Rampenlicht Stellendes. Ob hier Musik oder Hörer Henne bzw. Ei darstellt, darüber dürfte sich noch trefflich streiten lassen.

Viertens gibt es, und hierfür könnte man mich fast für einen Vertreter der zweiten Gruppe halten, wenn nicht jeder wüsste, dass es einfach wahr ist, was ich gleich zu sagen gedenke, [Schlager und Volksmusik], deren, zugegebenermaßen beachtliche, Hörerschaft gehirngewaschen sein muss. Anders ist einfach nicht zu erklären, wie man nach dem achtundneunzigtausendsten Mal immer noch eine Musik mögen kann, [die immer auf denselben vier Takten ihre Schläge und mit Sicherheit dazwischen einen tödlich langweiligen Smog aus sphärischen Klängen und Blasinstrumenten hat]. Unvorstellbar gar, wie man sonst diese Menge an [sedierten Klatschzombies] in den eigens für solche Folter eingerichteten [Fernsehinstitutionen] erklären wollte, die jede Woche wieder bereitwillig in denselben Keller zurückkehren, um sich vom [misstrauenerweckend gut gelaunten] Personal eine weitere Dosis verabreichen zu lassen. Wie gesagt, man könnte mich für ebenso engstirnig und missionarisch feuereifernd halten, hätte ich nicht vorgesorgt. Sollten Ihnen meine vorangegangenen Ausführungen nicht zugesagt haben, sollte es Sie überhaupt gegeben haben, biete ich Ihnen jetzt die Möglichkeit, den Abschnitt (von „Viertens“ bis zum Punkt vor „Wie gesagt,...“) noch einmal zu lesen. Da ich Platz und Zeit sparen wollte, habe ich hier einen Text-Dummy eingerichtet, angedeutet durch die eckigen Klammern, der mit wenigen Handgriffen Ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen angepasst werden kann. Hierzu müssen Sie lediglich den Inhalt besagter Klammern löschen und nach eigenem Gutdünken neu auffüllen. Nur zu, der Rest von uns wartet hier, bis Sie soweit sind. Ja, wir bleiben hier, keine Sorge. Der Rest macht solange Pinkelpause oder was weiß ich...

So, nachdem wir uns alle wieder eingefunden haben, auf die eine oder andere Weise erleichtert, kann ich ja fortfahren. All diese Gräuel, mit denen ich, mit denen jeder, beinah jeden Tag sich konfrontiert findet, lassen einen dann umso mehr wertschätzen, was einem aus den heimischen Lautsprechern entgegenkommt. Oder wenn es schon nicht die heimischen sind, dann wenigstens befreundete. Denn merke: Wo man singt, da lass dich nieder. Aber nur da, wo du bereit wärst, mitzusingen und zwar auch schon im nüchternen Zustand! Ach ja, die Nüchternheit, da habe ich doch schon wieder ein Phänomen für meine obige Aufzählung. Und Tanzen verdiente in diesem Zusammenhang eine ganz eigene Betrachtung... Ich habe bereits zuvörderst darauf hingewiesen, dass meine eigenen gesanglichen Talente doch zu wünschen übrig lassen, und niemand bedauert das mehr als ich. Beim Tanzen sieht es zwar ähnlich aus, doch habe ich es bisher immerhin, und hier besteht vielleicht noch Grund zur Hoffnung, zu einem Notfall-Kit gebracht. Aber es gibt Menschen, die ähnlich gestraft, jegliches Taktgefühl vermissen lassen und trotzdem zu singen versuchen, sei es nur einem erhöhten Alkoholspiegel, Verlegenheit in bestimmten Situationen oder Profiterwägungen geschuldet (und da rechne ich die Leute, die anderen Leuten ohne Sangestalent aber mit dickem Geldbeutel die Chance dazu geben, mit ein).
Aber ich wollte ja versöhnlich enden: Also könnte man den bereits zitierten Rat wie folgt modifizieren: Wo man vokaliert oder rhythmische Bewegungen zu gewissen in der Luft befindlichen Schallwellen auszuführen versucht, da lass dich nieder, unter sorgfältiger Prüfung der Bedingung der Möglichkeit der eigenen Partizipation an Sang und Tanz und vorigem Puste-Test, um rauszukriegen, ob man noch eine gerade Linie beim Laufen treffen kann. Zugegeben, das ist nicht mehr ganz so griffig und leicht, aber das ist es nie. Schließlich kommt es auch nicht so sehr darauf an, was man hört, sondern wie. Und ob man singen kann bzw. sollte. In diesem Sinne lässt sich die von mir gewählte Überschrift auch wieder auf magische Weise in den Text integrieren. Musik ist wie Musikus: Ein plötzlicher Impuls wird mit messerscharfer Wahrnehmung des eigenen Körpers und Euphorie belohnt, es ist nur die Frage, ob es die blauen Flecken lohnt.

Auf Wiederhören!