Montag, 25. Februar 2013

Der Kirchenlehrling

Um auch hier einmal wieder Spuren hinterlassen zu haben und aus aktuellem Anlass hier ein neuerlich lyrisches Unterfangen.
Obwohl im Zusammenhang mit Glaube, Gott und Kirche sich eigentlich verbietet, von einem „aktuellen Anlass“ sprechen zu wollen (Ist doch dieses Dreigestirn zu allen Zeiten aktueller Anlass wofür auch immer gewesen), habe ich es doch mit einem solchen zu tun. Aufgrund eines weiteren Praktikums an einem niedersächsischen Gymnasium und der heutigen Hospitation bin ich auf die folgenden Gedanken gekommen.
Ein Philosophie-Kurs war gehalten, das Semesterthema „Gott – eine gute Idee?“ anhand
einer Parodie Revue passieren zu lassen. Das habe ich mir zum Anlass genommen, ebenfalls
eine, wenn man dieses hier so nennen kann, Parodie zu schreiben. In meinem Fall stützt sie sich auf die Textstruktur des „Zauberlehrlings“ von Goethe, dessen Originalstrophen ich hier der Vollständigkeit halber in Klammern beigefügt habe. Wer noch mehr in dieser Sache lesen will, und ich kann es nur empfehlen, gerade, wen es eher nach etwas Zeitgenössischem gelüstet, der sei darauf verwiesen, die in den nächsten Tagen erscheinenden Ergebnisse auf http://muck-rakers.blogspot.de/ nachzulesen.
Nun aber erst mal zu meinem „Der Kirchenlehrling“:

(Hat der alte Hexenmeister
sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort und Werke
merkt ich und den Brauch,
und mit Geistesstärke
tu' ich Wunder auch.)

Hat der alte Gott, der Meister
sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Schäfchen
auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort' und Werke
merkt' ich und den Brauch,
und mit Fanalsstärke
tu' ich Wunder auch.

(Walle! walle
Manche Strecke,
daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergieße.)

Folge! Folge manche Strecke,
dass zum Zwecke,
Gelder fließ'n
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Prunke sich ergieß'n.

(Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen;
bist schon lange Knecht gewesen:
nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
oben sei ein Kopf,
eile nun und gehe
mit dem Wassertopf!)

Und nun komm, du alter Krieger!
Behalt die schlecht'n Lumpenhüll'n;
bist schon lange Knecht gewesen:
nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Knien flehe,
oben sei kein Kopf,
eile nun und gehe
mit dem Klingeltopf!

(Walle! Walle
manche Strecke,
daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergieße.)

Folge! Folge manche Strecke,
dass zum Schrecken Blut auch fließe
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergieße.

(Seht, er läuft zum Ufer nieder,
Wahrlich! Ist schon an dem Flusse,
und mit Blitzesschnelle wieder
ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
voll mit Wasser füllt!)

Seht, er läuft zur Kirche bieder,
Wahrlich! Ist schon an dem Stuhle,
und mit Blitzesschnelle wieder
ist er hier mit raschem Fluche.
Schon zum zweiten Male!
Wie die Kasse schwillt!
Wie sich jede Schale
voll mit Tränen füllt!

(Stehe! stehe!
denn wir haben
deiner Gaben
vollgemessen! -
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!)

Stehe! Stehe!
Denn wir haben
deiner Gräuel
vollgemessen! -
Ach, wir merken's! Wehe! Wehe!
Ham' wir doch das Wort vergessen!

(Ach, das Wort, worauf am Ende
er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
bringt er schnell herein,
Ach! Und hundert Flüsse
stürzen auf mich ein.)

Ach, das Wort, worauf am Ende
der Glaub' wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Hätt'st du doch das alte Wesen!
Immer neue Kriege
bringt er schnell herein,
Ach! Und hundert Fliegen
stürzen auf uns ein.

(Nein, nicht länger
kann ich's lassen;
will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!)

Nein, nicht länger
könn' wir's lassen;
woll'n ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! Nun wird uns immer bänger!
Welche Miene! Welche Blicke!

(O du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh' ich über jede Schwelle
doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
steh doch wieder still!)

O du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus verruchen?
Hör'n wir schon an jeder Schwelle
doch die Atheisten fluchen.
Ein verflachter Glaube
der nicht lernen will!
Halt, der du gewesen,
sei's doch wieder, still!

(Willst am Ende
gar nicht lassen?
Will dich fassen,
will dich halten
und das alte Holz behände
mit dem scharfen Beile spalten.)

Willst am Ende
gar nicht lassen?
Woll'n dich fassen,
woll'n dich halten
und das alte Beil behände
mit dem scharfen Worte spalten.

(Seht da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
gleich, o Kobold, liegst du nieder;
krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich, brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
und ich atme frei!)

Seht, da kommt es tropfend wieder!
Wie wir uns nur auf dich werf'n,
gleich, oh Kobold, liegst du nieder;
Krachend trifft des Geistes Schärfe
Wahrlich, brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun könn' wir hoffen,
und man atmet frei!

(Wehe! wehe!
Beide Teile
steh'n in Eile
schon als Knechte
völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!)

Wehe! Wehe!
Beide Teile
steh'n in Eile
schon als Knechte
völlig fertig in die Höhe!
Helft uns, ach! Ihr hohen Mächte!

(Und sie laufen! Naß und nässer
wird's im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! -
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd' ich nun nicht los.
In die Ecke,
Besen, Besen!
Seid's gewesen.
Denn als Geister
ruft euch nur zu diesem Zwecke,
erst hervor der alte Meister.“)

Und sie laufen! Nass und nässer
wird’s im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! Hör uns rufen! -
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die wir rief', die Geister
werd'n wir nun nicht los.
„In die Ecke,
Wesen, Wesen!
Seid's gewesen.
Denn als Geister
ruft euch nur zu diesem Zwecke,
erst hervor der alte Meister.“