Donnerstag, 6. Oktober 2011

Neu

Es kommt mir noch wie gestern vor, als ich von meinem geliebten kleinen Dorf in ein vielfach größeres Dorf ziehen musste und ich meine Freunde furchtbar vermisste. Doch kaum hatte ich mich in dem größeren Dorf eingelebt, ging es schon wieder weiter. Seit ein paar Wochen nun schon wohne ich in einer WG mit drei Freunden und freu' mich auf das Studium.

Mitte September sattelten wir die sprichwörtlichen Pferde und zogen weiter. Ganze vier Autostunden von der alten Heimat entfernt schlugen wir unsere neuen Zelte auf. Und tatsächlich schienen mir die ersten Tage eher wie ein Camping-Urlaub als ein Neuanfang. Nur mit mehr Kartons. Überall Kartons, Kästen, Möbel und Kleidung, die es beim Versuch, ihnen einen neuen Platz zu geben, zu umschiffen galt, während man mit weiteren Kartons beladen steile Treppenhäuser zu erklimmen hatte. Das erste Abendessen bestand, wie ich mir sagen lassen habe, aus ganz typischem Studentenfutter: Lieferpizza. Zu meiner bzw. unser aller Entschuldigung sei vorgebracht, dass wir in dem Sinne noch keine Küche besaßen, die sollte nämlich in dieser Woche kommen. Da waren sie also schon dahin meine schönen Vorsätze zur Selbstbetätigung in der Küche...

In all dem Chaos tauchte aber neben mehreren Töpfen, Kochbesteck, und so viel Besteck und Geschirr, dass jeder Ehestreit , der auf verbalem Wege nicht länger zu lösen zu sein scheint, sich bei uns mehrere Wochen mit Munition versorgen könnte, auch eine mobile Kochplatte auf, sodass wir bereits am zweiten Abend selbstgekochte Speisen zu uns nehmen konnten. Ein Hoch auf die Saucierkünste meines Vaters. Die Ausstattung für unsere ersten Nudeln im neuen Zuhause sammelte sich in einem riesigen Überlebens-Kit, das sich zwischen den Kartonbergen eines unserer Mitbewohner fand. Das hatte wohl eine fürsorgliche Mutter geschnürt, um wenigstens die erste Woche das Überleben ihres Sohnes und seiner drei Mitbewohner ohne jegliche Versorgung von außen zu gewährleisten. Schließlich befinden wir uns jetzt im Osten und da weiß man ja nie, demzufolge überrascht auch der große Anteil der Bananen nicht länger... Entgegen aller Ostklischees allerdings entpuppte sich unsere Versorgungslage hier geradezu als ideal.

Und umso mehr die Gebirge an Ausrüstung und Verpflegung langsam schrumpften, desto wohnlicher wurde die Wohnung. So kam es, dass wir schließlich jeder ein kleines gemütliches Domizil unser Eigen nennen durften. Mit tatkräftiger Unterstützung der einzelnen Mitbewohner wurde auch mein Zimmer, das gleichzeitig unser Gemeinschaftszimmer ist, anfangs aber eher einer Lagerhalle glich, zum beliebten Treffpunkt. Während und nach den wichtigsten Arbeiten in der Wohnung galt es auch noch Telefonseelsorge bei den Eltern, die interessiert und zugleich ein wenig besorgt um die Überlebenskünste ihrer jungen Sprößlinge waren, zu betreiben.

Endlich war die Wohnung soweit eingerichtet, dass man nicht länger um und über etwaige Hindernisse steigen musste und wir betraten Neuland: Jena. Je länger ich diese Stadt nun bewohne und je mehr ich davon sehe, desto mehr gefällt sie mir. Gerade in den letzten Tagen, in denen ich staunend mit meinen zukünftigen Komilitonen von unseren Fachschaftsstudenten durch die Stadt zu den wichtigsten Einrichtungen unseres universitären und Studentenlebens geführt wurden, habe ich mich davon überzeugen lassen dürfen, dass ich es besser kaum hätte treffen können.

Umso mehr freue ich mich nun auf mein Studium und die kommenden Jahre, denn auch wenn ich schon wieder einmal meinen Standpunkt wechseln musste, so eröffnet ein solcher Wechsel doch immer auch neue Perspektiven.