Dienstag, 20. Oktober 2009

Philosophie, oder was?

"Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch. Zwei Bücher sind eine Bibliothek!"
- Jochen Malmsheimer, "Flieg Fisch, lies und gesunde...oder - Glück wo ist dein Stachel?"

Ein Stuhl ist ein Stuhl, zumindest der Begrifflichkeit nach. Jetzt hat aber Joseph Kosuth, amerikanischer Künstler aus dem Bereich "Concept Art", "One and three chairs" ausgestellt: ein Foto eines Stuhls, einen Stuhl und die Lexikondefinition eines Stuhls. Und an dieser Stelle zeigt sich, dass Sprache
1. ein auf Vereinbarung beruhendes,
2. ein eigentlich unpräzises Mittel ist, um anderen Leuten zu erklären, was man denkt.
Der Stuhl ist schließlich nur "Stuhl", weil sich irgendwann einmal jemand dachte, die Buchstaben "S", "t", "u","h" und "l" seien doch wunderbar geeignet, um das "komische Ding da vorne" zu beschreiben. Schon die Schriftzeichen sind ja auch nichts Anderes als eine Definitions- und Vereinbarungssache. Und wenn ich von einem Stuhl spreche, heißt das noch nicht automatisch, dass Sie dann genau den Stuhl vor dem geistigen Auge haben, den ich zu beschreiben suche. Selbst wenn ich genauer werde und Farbe, Form oder Größe beschreibe wird der Stuhl nicht derselbe sein. Was ist denn "nussbraun"? oder wie groß ist eigentlich "ungefähr so hoch"? Sind alle Klappstühle der Welt gleich? Nein. Also widersprechen wir Platon, der davon ausging, dass es eine Idee gibt, die allen Abbildern in der Welt vorausgeht und von denen jeder Kenntnis hat.

Ganze 90 Minuten dauerte die Disskussion, in der das Dilemma eines dem Englischen nicht mächtigen Betrachters, der vor dem Lexikoneintrag im Besonderen und dem Kunstwerk insgesamt steht, zur Sprache kam genauso wie die zwei Mongolen, die ihr ganzes Leben ohne einen Stuhl ausgekommen sind, praktisch wie sprachlich. Jetzt werden die Ärmsten zu uns geschleift, der eine bekommt das Foto des Stuhls und der andere die mongolische Übersetzung des Lexikoneintrags. Wer könnte wohl "beim IKEA" anschließend mehr Stühle als solche identifizieren? Wittgenstein hatte wohl einen weiteren sehr hellen Moment, als er den Ausspruch "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt" prägte. Darüber sind wir uns einig, wir das ist eine Ansammlung von denen, die sich um ein wenig mehr philosopische Erkenntnis bemühen. Da aber liegt das Problem. Während die einen behaupten, es sei wichtig, die vorangegangenen Sitzungen und das Vorwissen, das uns zur Verfügung stand, zu haben, um zu den Schlüssen zu kommen, die wir gesammelt haben, also Philosophie zu haben, meint der andere Teil, auch wenn sich die Ergebnisse wohl durchaus ein wenig unterscheiden mögen, so wäre es jedoch jedem möglich auf ähnliche Gedanken zu kommen. Schließlich sei Philosophie nichts anderes als "konzentriertes Nachdenken".

Und wieder war es die Zeit, die uns vor dem Abschluss dieser Frage unterbrochen hat. Bis zum nächsten Mal läuft der Feldversuch "Stuhl", zeige das Bild des Kunstwerks verschiedenen Leuten und finde heraus, wie ihre Gedanken dazu aussehen.