Samstag, 18. Dezember 2010

Ein Moment der Besinnlichkeit

Nein, trotz des Titels erwartet Sie hier kein neuerlicher Kirchensermon und auch kein als „Besinnlichkeit“ getarnter Weihnachtsstress, im Gegenteil glaube ich, ist es mir in all dem besinnlichen Wust des Dezembers gelungen, ein wenig zur Besinnung zu finden, den inneren Schweinehund für einen Moment beiseite zu legen und an seiner Stelle die Tastatur zu streicheln.
Es ist noch gar nicht so lang her, da konnte man hier einen kurzen Abriss zur Sprache finden, und weil ich in dem bereits oben erwähnten Wust es doch geschafft habe, ist mir wieder einmal aufgegangen, wie wichtig die Sprache für mich ist.

Gerade das gesprochene Wort verliert an Wert in unserer Gesellschaft, stellte ein von mir sehr geschätzter Kabarettist einmal fest. Grund genug für ihn und andere, sich dem entgegen zu stemmen. Und auch wenn ich nicht so vermessen sein will, mich in eine Reihe mit ihnen zu setzen, so will ich doch auch einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass wir gerade in dieser so besinnlichen Zeit uns auf etwas so elementar Wichtiges und zugleich so Misshandeltes Kulturgut, wie es die deutsche Sprache darstellt, besinnen. Sprache ist etwas, das uns nicht nur anatomisch, sondern auch intellektuell von vielen anderen Lebewesen unterscheidet, weswegen es mich immer wieder auf's Neue wundert, wie manche Zeitgenossen mit ihr umgehen. Sprache eröffnet so viele Möglichkeiten, dass es schwierig sein dürfte, sie auch nur ansatzweise auszuloten. Als alltägliches Kommunikationsmittel, genauso wie als Kunstwerk hat sie ihre Qualitäten. Ob das Wort schneller als der Kopf ist, oder es sorgfältig auf der Zunge hin und her gerollt wird, bevor es an die frische Luft kommt, für alles kann man es verwenden. Ein wahres Multifunktionswerkzeug. Gerade für Leute, die wie ich jedes Mal mit erfürchtig offenstehenden Mündern vor anderen Leuten stehen, die in der Lage sind mit Bildern, Skulpturen oder sogar Musik auszudrücken, wofür unsereins die sprichwörtlichen tausend Worte braucht, ist Sprache die einzige Krücke, um nicht völlig abgehängt zu werden.

Aber was wäre die Leibnizsche Welt ohne Leute, die scheinbar ohne Sinn und Verstand an etwas wie die Sprache herangehen und sie, den eigenen Bedürfnissen entsprechend, verhunzen. Fluten von Anglizismen, Halbsätze voller Halbwahrheiten, der aussterbende Genitiv, andere Probleme mit „das Grammatik“, „brutalstmöglichst gesteigerter Superlativissimus“ (Bastian Sick), orthographische Elendsviertel und nicht zuletzt fehlende Kommata bzw. „Kommatas“, die besser gefehlt hätten. Nicht nur beim gesprochenen sondern auch vorm geschriebenen Wort, machen diese Wandalen keinen Halt. Sie sind normale Menschen wie du und ich, aber hüte dich, wenn sie den Mund aufmachen! Wie schön, dass es noch ein paar aufrechte Seelen gibt, die es noch verstehen, Wörter und Worte (nebenbei bemerkt, ein wirklich wunderbares Wortpaar) richtig anzufassen und einzelnen Wörtern oder ganzen Sätzen den Glanz wiederzugeben, den sie unter einer Patina von Alltagsspuren besitzen.

In der Tat ist es eigentlich falsch, von der „Sprache“ sprechen zu wollen, weil das zu sehr verallgemeinert, und das Konzept Sprache dabei doch nicht umfassend wiederzugeben vermag. Hier zeigt sich, dass Latein für den Sprachästheten warscheinlich die bessere Wahl darstellt. Als „tote Sprache“ kann man sie ungestört „genießen“, zumindest diejenigen können das, die trotz Lateinunterricht diese Sprache zu schätzen wissen. Es ist so grotesk, wie mit dem Schmetterlingsenthusiasten, der diese Wesen so sehr bewundert, dass er sie auf einen Nagel gespießt in Schaukästen aufstellt. Doch die deutsche Sprache ist glücklicherweise bisher jedem Schmetterlingsfänger entgangen und schillert deshalb frei herum. Sie verändert sich mit jeder neuen Generation von Sprechern und das ist gut so. Prinzipiell. Trotzdem erscheint es mir sinnvoll, beim Umgang mit dem Sprachschmetterling etwas mehr Vorsicht walten zu lassen. Der Schaukasten ist keine Lösung, doch ein Schmetterling mit geknickten Flügeln ist auch kein glückliches Wesen. Deshalb sollte man, gerade wenn man schreibt, sich sicher sein, dass das was man schreibt, so, wie es da steht, richtig ist. Denn im Gegensatz zum gesprochenen Wort muss vielleicht das geschriebene noch von jemandem gelesen werden.

Dem, dem das in diesen besinnlichen Zeiten zu besinnlich war, aber auch demjenigen, dem es gefallen hat, wünsche ich frohe Weihnachten und einen heilen Rutsch ins neue Jahr!