Sieh da, Welt! Du siehst mich beswingt,
denn der Musi Kus hat mich ereilt, ob dessen ich mich nicht
enthalten kann, dies Wort einer quasi papiernen Dauer zu
überantworten.
Worum es gehen soll? Ja, man ahnt es
schon, um Musik. Und ähnlich, wie das eine oder andere gute Lied,
lässt sie einen im Ganzen nicht mehr los, treibt einen zu
atemberaubenden Höhen und das in mit gleichem Adjektiv
beschreibbarer Geschwindigkeit. Mal ist sie zart und umgibt einen wie
eine warme Aura, besonders dann, wenn einem zuvor kalt war, schwebt
hier und mäandriert mit besänftigender Ruhe nach dort, aber immer
umgibt sie einen, sodass man sich in sie hüllen kann, so zuverlässig
wie in eine weiche Decke. Mal ist sie rot glühend, ohne Rast aber
mit Macht und reißt einen mit sich vom Stuhl oder Couch, ohne
Rücksicht auf die Inneneinrichtung. Keine Stimmung, die sie nicht
einzufangen und im richtigen Moment wieder freizugeben weiß.
Und in eben diesem Moment, läuft sie
zur Untermalung meines Treibens, wie fast immer, wenn ich eine
Aufgabe zu erledigen habe. Denn mit Musik lässt die sich einfach
besser lösen, wenn sie derselben nicht gerade im Wege steht.
Überhaupt ist sie bei mir beinah allgegenwärtig. Dank sei an dieser
Stelle auch meiner Musikanlage ausgesprochen, ohne die so manche
Ohrgie gar nicht möglich wäre. Und wo die nicht zur
Verfügung steht, gibt es ein tragbares, „nichtsdestowenigertrotz“
(Dieses Wort habe ich mal bei einem Interview von einem
Schwimmathleten gehört und wollte seitdem unbedingt mal sehen, wie
sich das geschrieben so macht.) zuverlässiges Gerät und das
befeuert mit seinem Lauf meinen eigenen. Warum läuft Musik
eigentlich? Weil sie so schnell an einem vorbeizieht, oder weil sie
wie Wasser fließt? Vielleicht beides.
Hinzu kommt, dass ich für fast alles
offen bin, was so mit Hilfe menschlicher und unmenschlicher
Klangkörper alles zustande zu bringen ist, sodass mir beinah alles,
was mir zu Ohren kommt, auch ein unwillkürliches Fußtappen oder
Pfeifen entlockt. Vom Mitsingen muss ich leider, wenigstens im
Beisein meiner Mitmenschen, dann doch Abstand nehmen, weil es schon
einen Chor braucht um meinen „Beitrag“ zu vertuschen. Glück habe
ich mit besagten Mitmenschen auch, weil sie wenigstens in Teilen
meinen Geschmack teilen – überhaupt kann Musik ja mächtige Bande
schmieden. So viel zur Theorie und Sonnenschein.
Doch wo Licht ist, da ist auch
Schatten... Und wie ich deutlich zu machen versuchte, bin ich in
dieser Frage, und bemühe mich auch jeden Tag auf's Neue, es zu sein,
wirklich tolerant. Aber das wird einem nun wirklich nicht einfach
gemacht. Nach meiner eigenen bescheidenen Meinung gibt es drei,
vielleicht vier Phänomene, die in dieser Beziehung in ihrer
Schattenhaftigkeit kaum zu überbieten sind.
Da hätten wir zum einen die Leute, die
einfach die falsche Musik mögen, und die, so groß die geheuchelte
Empörung jetzt sein mag, jeder kennt. Die wären an sich noch nicht
so schlimm, gehörten sie nicht meist auch noch zu einem der
nachfolgenden Vereine.
Die zweite Gruppe ist in Fragen der
Musik so verkrampft und engstirnig wie andere mit ihrer religiösen
Überzeugung, wenn sie nicht ohnehin mit dieser zusammenfällt. Sie
sind ausgesprochene Monotheisten und tolerieren neben ihrem keine
anderen Götter. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, gehen
sie mit demselben missionarischen Eifer wie einige Glaubensknallköpfe
an die Sache heran.
Drittens gibt es Leute, die zur Gruppe
der zweiten wenigstens zu gehören scheinen, die deren Eifer
vielleicht aus Unvermögen weniger argumentativ zur Schau stellen,
als das sie einfach direkt ihre sogenannte „Musik“ mit der
gesamten Welt zu teilen versuchen. Und wo das nicht geht, wenigstens
mit dem Rest der Fahrgäste im Bus oder Zugabteil. Nie war die
Erfindung des Kopfhörers zugleich angebrachter und doch
sinnentleerter als bei den Zeitgenossen, die ihre musikalisch begabte
Elektronik zwar mit ebensolchen versehen, im selben Moment das Gerät
aber bis zum Anschlag und darüber hinaus aufgedreht haben, sodass
ich mühelos das, was für alle im Raum sich Befindenden hörbar aus
den Lautsprechern quillt, auf seine eigene Sinnhaftigkeit hin prüfen
kann. Meistens, so sind bisher meine empirischen Befunde, handelt es
sich um a) Sinnloses Faselndes, b) Klischees Auswringendes, c) Frauen
Verachtendes oder d) die eigene Potenz, im weitesten Sinne, ins
Rampenlicht Stellendes. Ob hier Musik oder Hörer Henne bzw. Ei
darstellt, darüber dürfte sich noch trefflich streiten lassen.
Viertens gibt es, und hierfür könnte man mich fast für einen Vertreter der zweiten Gruppe halten, wenn nicht jeder wüsste, dass es einfach wahr ist, was ich gleich zu sagen gedenke, [Schlager und Volksmusik], deren, zugegebenermaßen beachtliche, Hörerschaft gehirngewaschen sein muss. Anders ist einfach nicht zu erklären, wie man nach dem achtundneunzigtausendsten Mal immer noch eine Musik mögen kann, [die immer auf denselben vier Takten ihre Schläge und mit Sicherheit dazwischen einen tödlich langweiligen Smog aus sphärischen Klängen und Blasinstrumenten hat]. Unvorstellbar gar, wie man sonst diese Menge an [sedierten Klatschzombies] in den eigens für solche Folter eingerichteten [Fernsehinstitutionen] erklären wollte, die jede Woche wieder bereitwillig in denselben Keller zurückkehren, um sich vom [misstrauenerweckend gut gelaunten] Personal eine weitere Dosis verabreichen zu lassen. Wie gesagt, man könnte mich für ebenso engstirnig und missionarisch feuereifernd halten, hätte ich nicht vorgesorgt. Sollten Ihnen meine vorangegangenen Ausführungen nicht zugesagt haben, sollte es Sie überhaupt gegeben haben, biete ich Ihnen jetzt die Möglichkeit, den Abschnitt (von „Viertens“ bis zum Punkt vor „Wie gesagt,...“) noch einmal zu lesen. Da ich Platz und Zeit sparen wollte, habe ich hier einen Text-Dummy eingerichtet, angedeutet durch die eckigen Klammern, der mit wenigen Handgriffen Ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen angepasst werden kann. Hierzu müssen Sie lediglich den Inhalt besagter Klammern löschen und nach eigenem Gutdünken neu auffüllen. Nur zu, der Rest von uns wartet hier, bis Sie soweit sind. Ja, wir bleiben hier, keine Sorge. Der Rest macht solange Pinkelpause oder was weiß ich...
So, nachdem wir uns alle wieder
eingefunden haben, auf die eine oder andere Weise erleichtert, kann
ich ja fortfahren. All diese Gräuel, mit denen ich, mit denen jeder,
beinah jeden Tag sich konfrontiert findet, lassen einen dann umso
mehr wertschätzen, was einem aus den heimischen Lautsprechern
entgegenkommt. Oder wenn es schon nicht die heimischen sind, dann
wenigstens befreundete. Denn merke: Wo man singt, da lass dich
nieder. Aber nur da, wo du bereit wärst, mitzusingen und zwar auch
schon im nüchternen Zustand! Ach ja, die Nüchternheit, da habe ich
doch schon wieder ein Phänomen für meine obige Aufzählung. Und
Tanzen verdiente in diesem Zusammenhang eine ganz eigene
Betrachtung... Ich habe bereits zuvörderst darauf hingewiesen, dass
meine eigenen gesanglichen Talente doch zu wünschen übrig lassen,
und niemand bedauert das mehr als ich. Beim Tanzen sieht es zwar
ähnlich aus, doch habe ich es bisher immerhin, und hier besteht
vielleicht noch Grund zur Hoffnung, zu einem Notfall-Kit gebracht.
Aber es gibt Menschen, die ähnlich gestraft, jegliches Taktgefühl
vermissen lassen und trotzdem zu singen versuchen, sei es nur einem
erhöhten Alkoholspiegel, Verlegenheit in bestimmten Situationen oder
Profiterwägungen geschuldet (und da rechne ich die Leute, die
anderen Leuten ohne Sangestalent aber mit dickem Geldbeutel die
Chance dazu geben, mit ein).
Aber ich wollte ja versöhnlich enden:
Also könnte man den bereits zitierten Rat wie folgt modifizieren: Wo
man vokaliert oder rhythmische Bewegungen zu gewissen in der Luft
befindlichen Schallwellen auszuführen versucht, da lass dich nieder,
unter sorgfältiger Prüfung der Bedingung der Möglichkeit der
eigenen Partizipation an Sang und Tanz und vorigem Puste-Test, um
rauszukriegen, ob man noch eine gerade Linie beim Laufen treffen
kann. Zugegeben, das ist nicht mehr ganz so griffig und leicht, aber
das ist es nie. Schließlich kommt es auch nicht so sehr darauf an,
was man hört, sondern wie. Und ob man singen kann bzw. sollte. In
diesem Sinne lässt sich die von mir gewählte Überschrift auch
wieder auf magische Weise in den Text integrieren. Musik ist wie
Musikus: Ein plötzlicher Impuls wird mit messerscharfer Wahrnehmung
des eigenen Körpers und Euphorie belohnt, es ist nur die Frage, ob
es die blauen Flecken lohnt.
Auf Wiederhören!