Wieder einmal hat es sehr lange gedauert, bis ich mich ans Schreiben gemacht habe und in letzter Zeit war weniger der Mangel an Ideen, sondern eher ihr Überfluss und ihre jeweilige Unausgegorenheit das Problem. Daher werde ich sie nun einfach abarbeiten, damit Platz für Neues entsteht.
Als erstes und deswegen schon fast nicht mehr wahr, waren die Piraten für mich ein interessantes Phänomen. Ob sie nun frischen Wind oder einfach nur ein laues Lüftchen von kurzer Dauer im Politikalltag sein werden, muss sich noch zeigen, spannend finde ich jedoch die Reaktionen sowohl von Seiten der etablierten Politik, als auch aus den Medien. Die Piraten hatten noch nicht ganz ein Parteiprogramm gefertigt, da flogen ihnen schon die Wähler zu, weil sie so schön neu und frech sind. Nachdem es eine ganze Weile gedauert hatte, bis die Etablierten sich ernsthaft mit ihnen beschäftigten, zeigte sich relativ schnell, dass sie nicht wussten, wie sie mit den Piraten umgehen sollten. Und in eben dieser Behäbigkeit liegt vielleicht auch der berechtigte Kritikpunkt der Piraten. Von einem abschätzigen „das sind die ,Linken mit Internetanschluss' “ über ein drohendes „der Welpenschutz ist vorbei“ war alles zu haben. Und immer wieder wurden sie auf der peinlichen Pressekonferenz festgenagelt, in der sich tatsächlich jemand fand und vollmundig erklärte, dass eine Partei nicht auf alles eine Antwort haben müsse. Tatsächlich muss eine Partei nicht auf alles eine Antwort haben, sofern dieses alles gleichbedeutend mit einem „Gott und die Welt“ ist, trotzdem kommt einer Partei, sogar verfassungsmäßig festgehalten, die Aufgabe zu, zu allen gesellschaftlich relevanten Themen eine Antwort zu haben. Und ein Finanzpolitisches Konzept gehört definitiv zu den gesellschaftlich relevanten Themenfeldern. Deswegen finde ich auch weniger die inhaltliche Aufstellung, geschweige denn die personelle, bemerkenswert, als vielmehr den Versuch der Piraten, einer direkten Teilhabe von interessierten Menschen an den parteiinternen Entscheidungen. Natürlich ist dies kein grundlegend neues Konzept, schließlich geht es jeder anderen Partei auch darum, Artikulations- und Teilhabeforum der Bürger zu sein, jedoch gelingt dies den Piraten in letzter Zeit wohl auf eine anziehendere Weise als anderen Parteien.
Diese Anziehungskraft scheint auch auf die Medien auszustrahlen, was bei ihnen allerdings eine etwas eigentümliche Ausprägung erfährt. Keine Meldung, ohne das jemand versucht, eine nautische Metapher in eben jener unterzubringen. Die Piraten selbst geben dem ja auch Vorschub mit einem Motto wie „Klar machen zum Ändern“. Dennoch wirkt das Ganze angestrengt und lächerlich, weil es einerseits nicht die Sache trifft, schließlich sind die Piraten in erster Linie eine Partei und keine Schiffsbesatzung, und andererseits das Ganze so kindisch wirken lässt, dass man nicht weiß, ob der Journalist oder die Piraten ein Bonbon für ihre Taten erwarten. Hier also gilt: Klarmachen zur Vokabularwende.
Neulich in der Philosophie-Vorlesung. Man sitzt mit offenen Augen und bemüht offenem Geist im Hörsaal, während draußen das schöne Wetter an einem vorbeizieht. Descartes heißt der Held der Stunde und allein die Aussprache scheint wohl dem einen oder anderen Schwierigkeiten zu bereiten („Die Franzosen lassen doch da immer so was weg, am Ende von ihren Wörtern“). Es mag erstaunlich klingen, aber meistens folgt dieses So-was-weg-lassen gewissen Regeln, in diesem Fall, bei dem es sich um einen Eigennamen handelt, greifen diese leider meistens nicht. Insofern verdankt René, so sein Vorname, den folgenden, nicht korrekt transkribierten Nachnamen [ Dekart ] wohl vor allem einem tradierten Konsens.
Viel interessanter aber als die Namensbildung und -aussprache im Französischen ist für den Philosophen die Frage, was hat er gesagt, der René. Und tatsächlich ist die Frage, der Descartes nachgegangen ist, eine Überlegung wert, sofern man sich für Überlegungen erwärmen kann, die dem alltäglichen Blickwinkel teils zuwider laufen.
Was ist es denn, von dem ich sicher sein kann, das es wahr ist? Es heißt „Meditationen“ und beginnt fast wie ein Grimmsches Märchen. Der junge René Descartes zieht aus um ein Abenteuer zu erleben. In diesem Fall ein erkenntnistheoretisches und er zieht auch nicht aus, sondern in seine lauschige Hütte hinein, um sich von allem frei zu machen, was ihm im Leben so beigebracht worden ist. Das zu finden, von dem er sicher sein kann, das es nicht bloß Einbildung ist, ist sein Ziel. Entscheidend sind da zwei Gedanken, der erste, auch als das „Traumargument“ in die Geschichte eingegangen, besagt, dass alles, was von den Sinnen kommt, jedwede Wahrnehmung auch Trug sein könnte. Denn wenn Descartes nun träumte, statt zu wachen, dann müsste er seine warme Hütte, das Kaminfeuer, Kleidung und alles weitere für wahr halten, obgleich er gemütlich in seinem Bett liegt und schläft, bis er aufwacht. Gewisse Cineasten mögen sich da an einen bleichen Hacker namens Neo erinnert fühlen. Ausgehend von diesem Gedanken muss also die Wahrnehmung paradoxerweise zur Findung der Wahrheit ausscheiden.
Was bleibt da noch, auf das man sich verlassen kann?
Nun, Descartes kommt auf seinen Geist, der, egal ob der Rest-René schläft oder nicht, immer noch nur dreieckige Dreiecke denken kann. Will sagen, solche Ideen, die aus dem Geist entspringen, und da rechnet Descartes großzügig die gesamte Mathematik dazu, denn jede mathematische Operation gelingt auch, wenn man nichts um sich herum wahrnimmt. Nebenbei für sich genommen ebenfalls eine interessante Erkenntnis. Aber Descartes wäre nicht Descartes, wenn er nicht auch dies in Zweifel zöge. Was, sagt er sich, wäre, wenn nicht mal das stimmt? Wenn ein böser Geist ihm einflüsterte 2+2 sei 4, dabei ist es 5? Nach diesem bösen Geist heißt Descartes zweites Argument denn auch „Argument vom bösen Gott“. Nun hat Descartes also erfolgreich Wahrnehmung und auch das Denken als Quelle der Erkenntnis ausgeschaltet, allerdings sieht es nun ganz schön duster aus. Wenn man weder seinen Augen noch dem eigenen Kopf trauen kann, was bleibt dann noch? Hier liegt die Anziehungskraft des cartesianischen Gedankengangs. Für ihn heißt es nun, wenn auch der böse Geist ihn über alles täuschen mag, so muss es doch zwangsläufig jemanden geben, den der böse Gott täuscht. Das, sagt Descartes, sei er. Auf die griffige Formel „cogito, ergo sum“ gebracht, ist dieser Satz bis in unsere Zeit bekannt.
Wie so oft, wenn die Philosophen versuchen das, was sie meinen, verständlich zu machen, passiert aber auch hier eine Verkürzung. Zwar hat Descartes tatsächlich „cogito, ergo sum“ gesagt, aber nicht in den Meditationen, sondern viel später. Eigentlich heißt es: „Ich bin, ich existiere“ und ist insofern auch unzweifelhafter, denn der eigentliche Gehalt der cartesianischen Erkenntnis ist die Selbstexistenz, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das lässt sich aber auch kürzer fassen, denn „ich bin, ich existiere“ ist in der Originalfassung lateinisch und heißt dementsprechend „ego sum, ego existo“ und das wiederum ist nach einiger schon fast mathematisch anmutender Arbeit auf „sum“ reduzierbar.So gehaltvoll das nun scheint, mindestens ein Problem ergibt sich daraus sofort. Denn Descartes hat nur seine eigene Existenz damit unzweifelhaft für sich gemacht, alle anderen Menschen sind davon ausgenommen, denn sie könnten nach wie vor Täuschungen sein, dieses Problem wird lange nach Descartes Solipzismus genannt werden.
Diese Geschichte blieb mir nun mehrere Tage im Gedächtnis, vor allem aber verfolgt mich seither hartnäckig ein Gedanke, der sich vor meinem geistigen Auge in Folge der begrifflichen Rechenarbeit des Dozenten (ego existo = ego sum, ego sum = sum) formuliert hatte. Was, wenn Bienen die letzten aufrechten Cartesianer sind? Eigentlich muss es so sein, warum sonst, sollte man den ganzen Tag Descartes' berühmtes Dictum den ganzen Tag vor sich hin sagen? Mit dieser ersten und möglicherweise auch einzigen „Schlechte-Wortspiele-Zeit*“ auf diesem Blog schließe ich diesen Eintrag und hoffe, dass ich nun wieder ruhiger schlafen kann, ohne von Bienen in meine Träume verfolgt zu werden und möglicherweise auch wieder Platz für vernünftige Gedanken geschaffen zu haben.
*Dies ist ein nicht von mir geprägter Warennahme, den ich hier nur ausgeliehen habe, weil es in diese Kategorie fällt.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen