Hier sitze ich nun zwischen meinen Klausurvorbereitungen, aber was mich wirklich beschäftigt, dass spielt sich woanders ab.
Nicht nur dass wir uns mit beratungsresistenten Akteuren im Finanzmarkt herumschlagen müssen, nein, auch die Politik nimmt zunehmend deren Habitus an, ja, scheint sich gerade zu danach zu sehnen, nicht länger Verantwortung für die Gemeinschaft, sondern eher für sich selbst zu übernehmen. Ein vor sich hin scheidender Bundespräsident, der zwar nichts nachweislich Illegales tat, aber sicherlich nicht "geradlinig" gehandelt hat. Nein, im Gegenteil, das Amt, das er bekleidet, hat er so sehr in Verruf gebracht wie lang niemand mehr. Obwohl das eigentlich nicht stimmt, denn was er in Verruf bringt, das ist seine Person selbst. Das Amt leidet aber auch darunter, denn zunächst wurde es von einem zurückhaltenden Amtsträger ausgeübt, der dann zu allem Überfluss nicht einmal seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird, nicht nur das, sondern sogar auch noch in aller Öffentlichkeit wortbrüchig wird, wenn er nicht gerade zu den Vorwürfen schweigt. Zunächst verspricht er eine vollständige Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen der Presse, dann aber lässt er nur eine Zusammenfassung veröffentlichen, man beachte: lässt.
Und noch etwas beschäftigt mich. Es ist noch nicht lange her, da nahm die Weltöffentlichkeit mit einiger Überraschung die Enthaltung der Bundesrepublik in Sachen Libyen auf und nun plustert sich unser Außenminister auf, wenn, wie nicht anders erwartet, Russland und China ihr Veto gegen eine UN-Resolution zum Thema Syrien verkünden. Eine in der Tat herbe Schlappe, aber doch keine Überraschung, wo sich doch deutlich abzeichnet, dass die UN kaum handlungsfähig sein kann, wenn zwei Staaten, die die Menschenrechte nicht allzu weit oben auf ihrer Agenda tragen, mit ihrer Stimme das Gremium blockieren können. Russland scheint doch noch nicht gänzlich über die Vergangenheit hinweggekommen zu sein, zumindest lassen die Vorwürfe Putins nach den Aufständen nach der Duma-Wahl, diese seien von den USA inszeniert worden, darauf schließen. Und so müssen wir uns ein hämisches Grinsen des Assad-Regimes gefallen lassen, das es als eine Schlappe der westlichen und arabischen Verschwörer bezeichnet, wenn die geballte Macht der Weltöffentlichkeit verpufft. In einem hat Syriens derzeitige Führung recht: Es ist eine Schlappe, aber nicht für eine ominöse Verschwörung, sondern für eine Politik, die sich nicht allein von "politischer Taktik", sondern vielmehr von Idealen leiten lässt, wie die Menschenrechte nun mal eigentlich welche darstellen sollten.
Aber woher soll diese in Zeiten kommen, in denen der Westen schon mit sich selbst mehr als genug beschäftigt ist, weil er es nicht fertigbringt, sich vom Götzenbild Markt und seinem Propheten Wachstum zu lösen. Wir mögen den religiösen Mythos der Antike und des Mittelalters überwunden haben, aber wir haben das mythologische Denken nicht verlernt, sondern uns nur neuen Ammenmärchen zugewandt, die noch dazu nur wenigen tröstlich erscheinen dürften.
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